5 GRÜNDE WARUM WIR FUSSBALL LIEBEN

Anpfiff. Action. Anfeuern. Mitfiebern. Laola-Welle. Schwalbe! Schiri-Ausschimpfen. Trotzdem: Freistoss. Fussball-Gott sei Dank daneben. Dann: endlich das erste Tor. Grosser Jubel. Wir feiern unsere Mannschaft. Jetzt nur nicht einlullen lassen. Wachsam bleiben. Ein Tor reicht nie. Endlich das 2. Tor für unsere Mannschaft. Kurz darauf der Anschlusstreffer der Gegner. Unsere Burschen schaffen es, den Vorsprung zu halten. Endlich der erlösende Abpfiff. Und jetzt: Feiern!

WIR L(I)EBEN SIE: DIE FASZINATION FUSSBALL

Weltweit ist Fussball der Sport mit den meisten Fans, den meisten Begeisterten und Fanatikern. Fussball verbindet Generationen, Menschen, unterschiedliche Gesellschaftsschichten und bewegt Millionen. Nirgendwo sonst liegen sich ein Müllmann und ein Herzchirurg in den Armen und feiern gemeinsam. Das gibt es nur beim Fussball. Fussball ist international. Eine Sprache, die jeder weltweit versteht. Es geht um Taktik, Teamgeist, Fairness, um Leistung, Ehrgeiz, Tränen, Schweiss und manchmal auch Blut. Es geht um den Erfolg oder Misserfolg ganzer Regionen oder gar Nationen. Oder einfach nur darum mit seinen Freunden beim Fussballschauen gemütlich ein Bierchen zu trinken.

Aber wieso schafft es eine Sportart – bei der 22 Männer im knappen Outfit einem Ball hinterherlaufen – so extrem viele Menschen und vor allem uns Männer in ihren Bann zu ziehen? Wir haben fünf gute Gründe dafür:

1. WIR DÜRFEN BEIM FUSSBALL GEFÜHLE ZEIGEN

Hemmungslos weinen. Ausflippen und tanzen vor Freude. Laut singend mit Schals und Fahnen bunt bekleidet durch die Strassen ziehen. Andere, wildfremde Männer umarmen. Das alles ist beim Fussball erlaubt. Und (nur) da dürfen wir Männer das auch. Maximal geht das noch in der Fasnacht – aber die gibt es ja bekanntlich nur einmal im Jahr. Sonst wird von uns Männern erwartet, dass wir funktionieren und Emotionen maximal im Beruf oder in der Familie zeigen. Wenn man als Mann im Kino eine Träne verdrückt, gilt man als Softie, Heulsuse und wird belächelt, verspottet, ausgelacht.

Anders beim Fussball: Nach einem geplatzten Champions-League-Traum oder verlorenem EM-Finale zu weinen ist in Ordnung. Aufmunternde Worte und beruhigende Schulterklopfer der Freunde und Fans anstatt allgemeiner Belustigung sind die Folge. Im Stadium oder beim gemeinsamen Fussballschauen daheim, oder in einer Sportbar sind Emotionen erlaubt, die sonst ein Tabu sind.

Kurzum: Wir sind beim Fussball so, wie sich es viele Frauen in ihren Beziehungen wünschen. Dazu kommt: Wir Männer bleiben unseren Fussballvereinen oft über Jahrzehnte treu. Das schaffen viele von uns in ihren Beziehungen leider nicht immer.

2. ES GIBT WENIGE UND EINFACHE REGELN

Steuererklärung. Kindererziehung. Beruf. Altersvorsorge. Das Leben kann manchmal schon verdammt hart und schwierig zu überblicken sein. Anders beim Fussball. Die Regeln beim Fussball sind einfach und klar definiert. Abseits ist da schon das Komplizierteste. Und ein schwarz gekleideter Mann hat auf dem Spielfeld das Sagen. Ohne Wenn und Aber. Das Positive daran: Die einfachen Regeln schaffen zumindest direkt auf dem Fussballplatz Transparenz.

Und so kann jeder Experte sein. Beim Bier in der Beiz kommtman schnell mit anderen Experten ins Gespräch und kann fachsimpeln. Durch die Einfachheit der Regeln und des Sports an sich braucht es nicht viel, um Fussball selbst zu spielen. Ein Ball. Zwei Gegenstände, um das Tor zu markieren. Das war's. Spielen kann man drinnen, draussen, allein, zu zweit, zu dritt oder mit zwei Mannschaften. Wer zum Ende der Spielzeit, oder wenn Mama zum Abendessen ruft, am meisten Tore geschossen hat, hat gewonnen. So einfach ist Fussball.

American Football, Eishockey, Basketball oder Baseball – die Regelwerke dieser Sportarten sind dick wie das Telefonbuch einer Millionenstadt. Für viele Sportarten ist eine teure Ausrüstung – auch schon für Anfänger – nötig. Zum Beispiel Skifahren: Skier, Skikleidung, Helm, Skipass. Da kommen schnell mehrere Hundert   Schweizer Franken zusammen. Beim Fussball ist auch das anders. Jeder kann ohne grossen Aufwand Fussball spielen und zeigen, was ihn ihm steckt.


3. WIR KÖNNEN UNS ALS FUSSBALL-FANS IDENTIFIZIEREN

Identifikation schafft Identität. Aber womit soll man sich identifizieren? Parteien? Kann schwierig sein. Musiker? Okay, das mag funktionieren. Aber wenn du im Freundeskreis erzählst, dass du Justin Bieber ganz toll findest, kann das böse enden. Arbeitgeber? Kann auch funktionieren. Aber wenn du für einen ungeliebten Mobilfunkanbieter oder in einer ungeliebten Branche arbeitest, kann es sein, dass du nicht gerade Wohlwollen erntest.

Als Fussballfans müssen wir uns nicht outen. Eher ist es problematisch zu sagen: „Mit Fussball kann ich nichts anfangen.“ Fussballstars und Legenden sind in Fankreisen allerseits anerkannt. Bei Identifikationspersonen aus anderen Bereichen der Gesellschaft, Wirtschaft, Politik oder Kultur ist das eher schwierig.

Klar können wir mit Fans einer anderen Mannschaft aneinandergeraten, aber die Faszination für den Fussball verbindet uns trotzdem. Wenn wir als Fussballfan ein original Autogramm von Pele besitzen, wissen das andere Fussballfans zu schätzen. Wenn wir als Rockmusik-Fan ein waschechtes Autogramm von Mick Jagger besitzen, heisst das noch lange nicht, dass andere Rockmusik-Fans das auch toll finden. Der eine sagt: „Die Beatles sind die einzig wahre Rockband“. Der andere sagt: „Für mich ist das nichts. Ich höre nur Metal.“ 

Identifizieren wir uns mit einem Fussballverein, wissen wir, dass unser Lieblingsverein auch in 20 Jahren noch da sein wird. Eventuell aufgestiegen. Oder abgestiegen. Aber wir waren dabei und haben mitgefeiert oder geweint. Das kann uns niemand nehmen.

4. FUSSBALL BEDEUTET AUCH CHANCENGLEICHHEIT

Fussball kann jeder spielen. Ein Kind in den Favelas von Rio oder ein Sohn reicher Eltern aus Zürich. Besondere körperliche Merkmale – ausser vielleicht ein wenig Fitness – sind nicht notwendig. Bei anderen Sportarten, wie zum Beispiel Basketball, sollte der Spieler möglichst gross sein. Beim Skispringen darf der Sportler keine Höhenangst haben. Fussball kann jeder spielen, der zwei funktionierende Beine und Füsse hat. Beim Fussball ist es egal, ob man gross, klein, stark, schlank oder etwas runder ist. Beispiel: Uwe Seeler (*1936) galt in seiner Zeit als aktiver Fussballspieler (1953 – 1978) als einer der besten Mittelstürmerder Welt. Für den HSV hat er unfassbare 476 Tore geschossen. Die Figur eines typischen Athleten hatte er jedoch nie. 

Er war klein – nur 168 cm gross – und stämmig. Aber dafür schnell und wendig. Deshalb auch sein Spitzname „Der Terrier“. So können körperliche Einschränkungen beim Fussball durch entsprechende Fähigkeiten wettgemacht werden. Lionel Messi (4 x Weltfussballer in Folge) ist lediglich 169 cm gross. Zlatan Ibrahimovic  – ebenfalls einer der besten Fussballspieler der Welt – ist 195 cm gross.

Um als Fussballer erfolgreich zu sein, brauchen wir also nicht den Körper eines Adonis. Den idealen Fussballerkörper – eine vorausgesetzte Physiognomie – gibt es nicht. Auch braucht es keine besondere Intelligenz oder einen Schulabschuss, um als Fussballer erfolgreich zu werden. Was zählt, ist einzig das Talent. Und so kann es jeder – mit der richtigen Förderung – zum Fussballstar schaffen.

Übrigens: Das Vorurteil, dass Fussballer nicht die hellsten sind, ist totaler Blödsinn. Wissenschaftliche Studien der Universität Tübingen belegen, dass die Anforderungen an das Hirn eines Fussballers während eines Spiels weitaus grösser sind, als die bei einem professionellen Schachspieler bei einer schwierigen Schachpartie. Ein Schachspieler muss nur eindimensional denken. Fussballer während eines Spiels hingegen mehrdimensional. Der Fussballer braucht ein Gespür für seine Kraft, für den Ball, für die Dimension des Platzes, den Raum – er muss einen Überblick über seine Mannschaftskollegen und die Gegner behalten.

Und das alles muss miteinander koordiniert werden. Die kognitive Belastung des Hirns bei einem Profi-Fussballspiel gleicht in etwa der eines Weltklasse-Pianisten bei einem Konzert.

5. VOM TELLERWÄSCHER ZUM MILLIONÄR DANK FUSSBALL

Was beim Fussball zählt, ist das Talent. Nicht unsere Herkunft. Unsere Abstammung. Unsere Körpergrösse. Der amerikanische Traum vom armen Tellerwäscher zum Millionär zu werden, ist hier immer noch möglich. Um im normalen Berufsleben voranzukommen, brauchen wir eine gute Ausbildung, Beziehungen, ein gutes Benehmen usw. Beim Fussball nicht. David Beckham beispielsweise hat durch sein Talent als 16-Jähriger angefangen, professionell Fussball zu spielen.

Mittlerweile wird sein Vermögen auf mehr als 170 Millionen Dollar geschätzt. Im Fussball lautet die Devise: Jeder kann es schaffen. Du brauchst: Talent, Disziplin und das kleine Quäntchen Glück.

Zumindest die ersten beiden Punkte hat jeder selbst zu verantworten.

Doch nicht nur das. Um im normalen Leben Gehör zu finden, müssen wir entweder reiche Eltern haben, einen Doktortitel unser Eigen nennen, einen Bestseller geschrieben, oder sonst irgendetwas Einzigartiges vollbracht haben. Beim Fussball nicht.

Nicht umsonst gibt es so viele lustige Fussballer-Zitate. Dort darf jeder Spieler – egal, ob Star- oder einfacher Mannschaftsspieler – seinen Mund aufmachen und uns Zuschauern, Zuhörern und Fans seine Weisheiten um die Ohren knallen. Leider werden die Spieler oft nach den Spielen – wenn sie vollkommen ausgepowert und in Gedanken noch auf dem Platz sind – vor die Mikros der Journalisten und so vor ein Millionenpublikum gezerrt. So kommen bisweilen skurrile und sehr lustige Aussagen zusammen.

Zum Beispiel:

„Wenn Sie dieses Spiel atemberaubend finden, haben Sie es an den Bronchien.“ Marcel Reif, Sportkommentator

„Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken.“ Lothar Matthäus

„Wir brauchen keinen Psychiater, sondern einen Heimsieg.“ Alex Frei

„Das ist Wahnsinn! Da gibt's Spieler im Team, die laufen noch weniger als ich.“ Toni Polster

„Ich wünsch mir, dass das Publikum hinter der Mannschaft steht, und zwar von der 1. Sekunde bis zur 90.“ Ciriaco Sforza während seiner Zeit bei 1. FC Kaiserlautern

„Den Fans aus Uerdingen war mein Name wohl zu lang.“ Stépahne Chapuisat über seinen Spitznamen „Chappi“ während seiner Zeit in Uerdingen